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Spanische Geschichte - Bücher und andere Texte


Empfohlene Beiträge

Hola,

 

heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das zwar schon vor zwölf Jahren erschienen ist, aber wohl noch lange zu den Grundlagenwerken über das frühe al-Andalus*) gehören wird.

 

Eigentlich ist es nicht ganz richtig, von „muslimischer“ Eroberung zu sprechen, weil die Heerscharen, die 711 in das Westgotenreich auf der Iberischen Halbinsel einfielen, höchstwahrscheinlich vorwiegend aus Christen bestand. Der heutige Maghreb wurde nämlich erst ziemlich spät von den Muslimen erobert: Karthago fiel im Jahr 698, also erst dreizehn Jahre vor der Invasion der Iberischen Halbinsel. Bis dahin hat man auf keinen Fall die Mehrzahl der Berber zum Islam bekehren können. Hingegen hatten diese mehrere Jahrhunderte lang unter römischer, somit auch christlicher, Herrschaft gelebt. (Einer der vier Kirchenväter der Antike, Augustinus, war ein Berber aus dem heutigen Algerien gewesen.) Diese Berber wurden in römischer Zeit wegen ihrer Herkunft aus Mauretanien mauri genannt, woraus sich viel später im Spanischen „moros“ entwickelte – ein Begriff, der nicht mehr die Berber bezeichnete, sondern generell alle Muslime.

 

Es waren Berber, die die Hauptlast der ersten Eroberungen trugen, erst später folgten genuine Araber, die aber – nach allem, was man weiß – bei ihren Kriegszügen gegenüber den Berbern nach der Devise „Hannemann, geh du voran“ verfuhren. Diese muslimischen Araber bestimmten denn auch den Fortgang der Geschichte auf der Iberischen Halbinsel nach Vollendung der Eroberung gegen Ende jenes Jahrzehnts (allerdings blieb ein schmaler Streifen im Norden in den Händen der iberischen Christen). Über diese Zeit berichtet sehr ausführlich

 

Pedro Chalmeta Gendrón: „Invasión e islamización – La sumisión de Hispania y la formación de al-Andalus“, Jaén 2003,

 

und zwar über knapp 150 Seiten in Kapitel IV („Ifrīqiya wal-Magrib wal-Andalus: Conquista y ocupación“). Die Quellenlage hierfür ist etwas problematisch, was er sehr ausführlich in Kap. III diskutiert. In den auf Kap. IV folgenden Kapiteln geht es um die Konsolidierung des eroberten Landes, d.h. um die Einrichtung einer funktionierenden Verwaltung, und zwar von Kairouan im heutigen Tunesien aus. Schon damals war der Kalifatsstaat überdehnt, so dass sich al-Andalus allmählich aus der kalifalen Vorherrschaft lösen konnte – ein Prozess, der bereits unter dem ersten „spanischen“ Umayyaden, cAbd ar-Ramān I., einsetzte.

 

Das Buch hat sowohl ein ausführliches Inhaltsverzeichnis als auch ein umfangreiches Register – besonders hilfreich für das Auffinden von Orten und Personen. Von den 461 Seiten bestehen 388 aus Text, und wen die Quellenlage weniger interessiert, der fängt am besten erst auf S. 69 mit Kapitel III („Hacia Al-Andalus: Precedentes y contexto“) an. Es ist das informativste Buch, das mir zu diesem Thema in die Hände gefallen ist.

 

*) Ich weiß, dass es korrekt „das frühe Andalus“ heißen müsste, aber das klingt im Deutschen etwas seltsam.

 

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  • 1 Monat später...

Bei meiner ersten Buchvorstellung im September ging es um ein Buch zur Eroberung des größten Teils der Iberischen Halbinsel durch berberische und arabische Truppen und zum ersten Jahrhundert dortiger muslimischer Herrschaft.

 

In der Folge der Eroberung gab es auf der Iberischen Halbinsel sowohl das muslimische al-Andalus als auch mehrere christliche Fürstentümer. Von Anfang an hatte es natürlich in al-Andalus neben Muslimen auch Juden und Christen gegeben, und Christen bildeten wahrscheinlich bis ins 10. Jh. die Bevölkerungsmehrheit. Bis dahin kann man also nicht von einer christlichen Minderheit in al-Andalus sprechen. Hingegen bildeten Muslime immer eine Minderheit in den christlichen Königreichen: Dabei handelte es sich um jene Muslime und deren Nachkommen, die nach der christlichen Eroberung (reconquista) ihrer Stadt oder ihres Landstrichs nicht geflohen und später auch nicht ausgewandert waren. In beiden Herrschaftsbereichen gab es von Anfang an jüdische Minderheiten und somit ab etwa dem Jahr 1000, als die Christen in al-Andalus in die Minderheit gerieten, jeweils Angehörige einer dominanten Religion und zweier untergeordneter Religionen – modern gesprochenVollbürger und Bürger minderen Rechts.

 

Deren Zusammenleben gestaltete sich keineswegs immer konfliktfrei, auch wenn (außerhalb der Fachwelt) immer wieder behauptet wird, in al-Andalus habe es eine geradezu beispiellose religiöse Toleranz gegenüber den religiösen Minderheiten gegeben. Das entspricht ebenso wenig den historischen Tatsachen wie die Behauptung, die christlichen Königreiche seien demgegenüber von ebenso großer Intoleranz geprägt gewesen. Einen wunderbaren Einblick in die Lebensverhältnisse der Zeit vom 12. bis zum 14. Jh. sowohl unter muslimischer als auch unter christlicher Herrschaft gibt Wiebke Deimann am Beispiel einer bedeutenden Stadt im heutigen Andalusien, nämlich Sevilla:

 

Wiebke Deimann: Christen, Juden und Muslime im mittelalterlichen Sevilla. Religiöse Minderheiten unter muslimischer und christlicher Dominanz (12. bis 14. Jahrhundert). Berlin 2012 (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt, Bd. 9)

 

W. Deimann ist nicht nur Historikerin, sondern auch Islamwissenschaftlerin, womit sie für eine solche Studie besonders qualifiziert ist.

 

Bearbeitet von Elin
Grammatik
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  • 2 Monate später...

Ich werde Buchvorstellungen etc. zur spanischen Geschichte bis in die Frühe Neuzeit in Zukunft in diesem Strang einstellen, damit sich das nicht verzettelt. Vielleicht kann die Moderation meine beiden früheren derartigen Beiträge hier einfügen? Dann hätten wir alles beisammen.

 

Eigentlich hatte ich noch im Dezember meine nächste Buch- bzw. Textvorstellung bringen wollen, aber irgendwie ist es dann doch nicht dazu gekommen. Jetzt im neuen Jahr geht es aber weiter mit einem Buch und einem Text zu einer Lehrveranstaltung von Alfred Kohler. Kohler ist oder war seit 1992 Ordentlicher Universitätsprofessor für Neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien. (Er dürfte eigentlich inzwischen emeritiert sein.)

 

a) Alfred Kohler: Columbus und seine Zeit. C.H. Beck, 2006.

 

Es geht in diesem Buch nicht nur um Kolumbus und sein Projekt, sondern Kohler bettet dieses in die maritime Expansion Europas ein, die – von Portugal ausgehend - sich zunächst auf Afrika konzentriert und schon lange vor Kolumbus eingesetzt hatte, und nun sowohl die Umschiffung des Kontinents als auch die Umgehung des nahöstlichen Handels zum Ziel hatte.

 

Aus dem Klappentext: „Kohler nimmt den Leser mit auf die abenteuerlichen und oft beschwerlichen Reisen Christoph Columbus’ nach Amerika und beantwortet die Frage, wie sich die Welt zu Lebzeiten des Entdeckers veränderte. Er schildert dabei auch das Asien- und Afrikabild des Spätmittelalters, das entscheidend für Columbus werden sollte, und bietet einen Einblick in die Konflikte zwischen Europa und der muslimischen Welt während des 15. Jahrhunderts.“

 

Einen guten Überblick gibt das ausführliche Inhaltsverzeichnis hier: http://www.chbeck.de/Kohler-Columbus-Zeit/productview.aspx?product=13693

 

Für denjenigen, der einen ersten Eindruck vom Buch gewinnen möchte, gibt es die Google-Volltextsuche, die Auszüge aus Büchern bringt - einfach „Alfred Kohler Columbus Google Books“ googeln.

 

 B) Ursprünglich hatte ich nur einen kurzen Überblick (27 Seiten) von Kohler über die Geschichte Spaniens zur Zeit der Katholischen Könige (Isabel I. von Kastilien und Fernando II. Aragón) und Karls V., der als Carlos I. auch König von Kastilien und Aragón war, empfehlen wollen: http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/kohler/sose2008/Material/Teil%20A%20II.pdf.

Dabei bin ich erst über das Kolumbus-Buch gestolpert. Bei Überprüfung fiel mir auf, dass Textpassagen von diesem hervorragenden Überblick, den Kohler für eine Lehrveranstaltung zusammengestellt hat, und in dem Buch identisch sind. Andere Passagen sind in einem weiteren Buch Kohlers zu finden, das ich das nächste Mal vorstellen werde.

 

 

Anmerkung:

Die Bücher aus meinem Regal, die ich hier vorstelle, sind in der Regel schon etwas älter und daher u.U. vergriffen. Wer eines davon erwerben möchte, dies aber nicht unbedingt bei amazon, dem empfehle ich, zunächst im modernen Antiquariat „medimops“ oder anderen im Internet nachzuschauen.

 

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  • 1 Monat später...

Wer sich mit dem Spanien der Frühen Neuzeit – also etwa 1500-1800 – beschäftigen will, ist gut bedient, wenn er mit Karl V. und seiner Zeit beginnt, denn Karl war nicht nur deutscher Kaiser, sondern als Carlos I. auch König in Spanien. Er war König in Spanien, weil Spanien damals entgegen weit verbreiteter Anschauung noch kein einheitlicher Staat war; Karl war daher König der einzelnen spanischen Teilreiche. Unter Karl wurden die Grundlagen für den Aufstieg Spaniens zum Weltreich unter seinem Sohn Philipp II. gelegt, aber auch – und eng damit zusammenhängend – zum ökonomischen Niedergang Spaniens, der ebenfalls unter Philipp II. einsetzte.

 

Zum Verständnis dieser Vorgänge nicht nur hilfreich, sondern m.E. geradezu unverzichtbar ist das folgende Buch von dem Autor, den ich letztes Mal bereits vorstellte:

 

Alfred Kohler: Karl V. 1500-1558. Eine Biographie. Verlag C.H. Beck. 2005.

 

Der in Gent im Jahr 1500 geborene Niederländer Karl war der erste Habsburger auf dem spanischen Thron – oder richtiger: auf den spanischen Thronen, die ihm im Alter von 16 Jahren durch Erbschaft zufielen. Wie es dazu kam, schildert Kohler im 1. Kapitel.

 

Das 2. Kapitel behandelt seine Machtübernahme in Spanien, die dort von vielen keineswegs gern gesehen wurde, insbesondere nachdem Karl drei Jahre darauf die Habsburger Besitzungen im Reich geerbt hatte und zum Kaiser gewählt worden war. Ein Ausdruck davon war der Aufstand der Comuneros: Man sah – sehr hellsichtig – die Gefahr, dass ihm die Angelegenheiten des Reiches wichtiger sein würden als spanische, Spanien dafür aber würde zahlen müssen.

 

Die nachfolgenden Kapitel befassen sich hauptsächlich mit genau diesen Reichsangelegenheiten, unter denen die wichtigsten der Kampf gegen die Reformation in Deutschland und machtpolitische Auseinandersetzungen vor allem mit Frankreich und dem Osmanischen Reich- waren. Diese mündeten in zahllose Kriege, welche die spanischen Untertanen schließlich tatsächlich über ihre Steuern mitbezahlen mussten.

 

Da halfen auch die Schätze Amerikas nur wenig, da diese erst gegen Ende von Karls Regierung stärker ausgebeutet werden konnten. Damit befasst sich Kohler hier weniger, dafür aber mit der damals vieldiskutierten Frage der Rechtmäßigkeit der amerikanischen Eroberungen und der Behandlung der Einheimischen (Kapitel 8).

 

Die beiden letzten Kapitel handeln vom Rückzug Karls aus der Politik und von der Vorbereitung seines Sohnes Philipp auf die Übernahme der Macht.

 

Ein interessantes und gut zu lesendes Buch, das nicht nur reich an Fakten ist, sondern diese immer in ihren damaligen politischen und wirtschaftlichen Kontext stellt.

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Danke für die Buchempfehlungen! Für geschichtsinteressierte Leute wie mich ist das ein super Tipp. So lernt man Spanien von einer ganz anderen Seite kennen und zwar nicht nur als eines der beliebtesten Touristenziele der Deutschen ;)!

Bearbeitet von catana
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  • 2 Monate später...

Lange habe ich mich nicht mehr gemeldet, aber heute möchte ich doch mal wieder ein Buch vorstellen.

 

Wenn von Spanien gesprochen wird, dann kommt irgendwann einmal unweigerlich die Inquisition zur Sprache – es gibt wohl keinen Spanienliebhaber, der das nicht schon einmal erlebt hätte. Zwar herrschen in der Regel nur nebulöse Vorstellungen über deren Tätigkeit, aber die allermeisten Gesprächspartner meinen zumindest zu wissen, dass sie Hunderttausende von Menschen verurteilt und einige Zigtausend auf die Scheiterhaufen geschickt hätte. Auch im Internet kann man derartige Behauptungen finden.

 

Man glaubt es kaum, aber solche Angaben gehen auf Zahlen zurück, die vor sage und schreibe 200 Jahren von einem einstigen Beamten der Inquisition, Juan Antonio Llorente, errechnet wurden. Er kam zu dem Schluss, dass 340.592 Menschen von der Inquisition bestraft und davon 31.913 tatsächlich verbrannt wurden. So genau diese Zahlen auch erscheinen, so handelte es sich doch lediglich um Berechnungen, denen die Opferzahlen der Anfangszeit, in der die Inquisition besonders verfolgungswütig war, zugrunde lagen. Außerdem zog er viel zu hohe Zahlen des Historikers Diego Ortiz de Zúñiga (1636-1680) für Sevilla heran und rechnete diese sowie einige weitere bis zum Beginn einer besseren Dokumentation einfach hoch, wobei er auch die Schwankungen in der Verfolgungsintensität völlig außer acht ließ. Inzwischen ist die Forschung natürlich sehr viel weiter, und unter den ausgewiesenen Experten herrscht weitestgehend Übereinkunft darüber, dass die Anzahl der tatsächlichen Todesopfer während der Gesamtzeit der Tätigkeit der Inquisition lediglich einige Tausend betrug. Genaue Zahlen gibt es aber aufgrund der lückenhaften Dokumentation nach wie vor nicht.

 

Natürlich gibt es zur Spanischen Inquisition noch erheblich Interessanteres zu erfahren als lediglich die Anzahl ihrer Opfer. In diesem Zusammenhang kann ich folgendes Buch wärmstens empfehlen:

 

Henry Kamen: The Spanish Inquisition. A Historical Revision. Yale University Press.

 

Meine Ausgabe ist von 1998, jedoch gibt es neuere, die letzte ist meines Wissens von 2014, wobei ich nicht weiß, ob es darin Veränderungen gegenüber meiner Auflage gibt.

 

Es gibt von diesem Buch eine spanische Übersetzung, leider aber, soweit ich weiß, keine deutsche Version. Aber der Untertitel sagt es schon: Kamen hatte lange zuvor (1965) bereits ein Buch mit diesem Titel geschrieben (das er später einer eingehenden Revision unterzog); das wurde damals übersetzt und kann immer noch antiquarisch erworben werden: Die Spanische Inquisition. Verfolgung und Vertreibung. Heyne-Verlag 1980. Zwar findet man darin natürlich nicht die neuesten Erkenntnisse, aber es ist meiner Meinung nach immer noch das Beste, was es deutschsprachig zu diesem Thema gibt. Wer also gar zu viele Probleme mit dem Englischen und/oder Spanischen hat, könnte darauf zurückgreifen.

 

Kamen beleuchtet die Gründe für die Einführung der Inquisition und für die Opposition dagegen, ihre Zielrichtung (ursprünglich Conversos, später Moriscos und jegliche Art von Abweichlern vom Katholizismus), ihre innere Struktur, ihre Finanzierung und ihre Vorgehensweise. Man erfährt auch eine ganze Menge über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen ihrer Tätigkeit – wichtige Gesichtspunkte, die in der Regel weitgehend unbeachtet bleiben. Auch sehr wichtig: Kamen befasst sich ebenfalls näher mit der Geschichte der Conversos und der Moriscos.

 

Ich meine, dies ist ein Buch, das unbedingt im Regal eines jeden Spanien-Interessierten stehen und natürlich auch gelesen werden :) - sollte.

 

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