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Sakralerotik


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Eindeutige Praktiken in Stein und Holz verewigt. Spanische Kirchen und Kathedralen bergen den einen oder anderen Überraschungseffekt

»Huch, ein Ständer im Altarumgang!«, schießt es mir beim Besuch der Kathedrale von Burgos durch den Kopf. Geballte Pracht aus Gotik und Renaissance ist bereits auf mich eingestürzt, die Vierungskuppel, die Vergoldete Treppe des Diego de Siloe, der Maria geweihte Hochaltar in der Hauptkapelle, doch nun saugt sich mein Blick weit über Kopfhöhe an diesem Ständer fest, der mich befremdet. Kein klassischer Ständer für Kerzen oder Lampen, nein, es ist das Motiv einer kleinen Skulptur aus Stein: der Satan mit entblößtem Glied, das horizontal in den Kirchenraum sticht wie eine Pfeilspitze.

Ich scanne den Höllenfürsten im Geiste ein, setze sein hervorstehendstes Merkmal in Relation zum geflügelten Körper und komme auf eine Länge von höchstens fünfzehn Zentimetern. Eher ärmlich also für einen Strammen Max und in Kontaktanzeigen tendenziell zu verschweigen. Klar, fast jeder hat schon Größeres gesehen im Leben, aber nicht unbedingt in einem Sakralbau, weder in Kunstform noch sonstwie.

»Seht her, dies genitale Teufelswerkzeug!«, mochte das anatomisch makellose Bildwerk vor Jahrhunderten ausdrücken. An beiden Seiten halten pummelige Begleiter, die ich als Engel interpretiere, die Flügel des Teufels fest und bewahren den in den Rausch der Wollust Geratenen vor dem Alleräußersten. Unter (Kirchen-)Männern dürfte der Abschreckungseffekt vor solcherlei Sünden- und Sittenwarnung gering gewesen sein. Schließlich wusste man in katholischen Kreisen seit alters her, wie und mit welcher Stimulans sich das abgebildete Organ über das Wasserlassen hinaus verwenden ließ. Sexualmoral und Sexualpraxis sind seit jeher ungleiche Kameraden gewesen.

Das Teufelchen von Burgos steht - um im Wortfeld zu bleiben - nicht allein auf weiter Flur. Komme ich an der romanischen Martinskirche von Frómista vorbei, gelegen am Jakobsweg durch Kastilien-León, gilt mein stiller Gruß stets dem Phallusmann, der in der Reihe der über 300 Sparrenfiguren in jeder Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt. Das Männlein prangt hoch oben am nördlichen Giebel, es scheint mir beschnitten zu sein, der Umfang der schwer zu übersehenden Glans ist im Vergleich so groß wie seine halbe Hand. Da aus Stein geschaffen, ist sein Instrument in alle Ewigkeit erigiert. Was in allen Leibhaftigen, die heutzutage der Einnahme von Viagra unterworfen sind, sicherlich Neid erweckt.

Rafael, ein freundlicher, wohlbeleibter Frühpensionär, Typ Honigkuchenpferd, setzt eine Engelsunschuldsmiene auf und zuckt mit den Schultern. Ein zweites Motiv im Chor übergeht er dezent: einen älteren Mann in Kutte, der umgekehrt rittlings auf einem zweiten sitzt, dessen nacktes Hinterteil sich dem Betrachter zuwendet, während das Gemächt, den Erdanziehungskräften gehorchend, herunterbaumelt.

Während Mann und Frau im Wannenbad, im Beisein von zwei Bediensteten schamlos ihre Teile zeigend, zu den harmloseren Sujets zählen, dürften sich selbst jene Betrachter, denen nichts Menschliches fremd ist, angesichts der Motive, die Vorlieben für das Spiel in Hintereingängen aufgreifen, die Augen reiben. Auf Details sei an dieser Stelle verzichtet, nur so viel: Welch derbe, obszöne Standbilder aus den Territorien zwischen Oberschenkel und Gürtellinie! Sex mit Tieren, animalische Begierde unter Einsatz von Fäkalien, manches ist mehr als bloße Sakralerotik, nämlich: Hardcore in heiligen Hallen.

Bleibt die Frage, ob die Versuchungen in den Häusern Gottes wirklich allzu plastisch und abschreckend thematisiert wurden, um das Böse herauszustellen. Oder hatten es vereinzelt Künstler gewagt, wie es einige Quellen nahelegen, auf ihre Art den Spott über Klerusvertreter auszukübeln?

Selbstversuch Spanien. 52 Wochen. 52 Betrachtungen.

:winken:

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Ich weiß nicht so genau, aber ist das auch Sakralerotik?

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=160990740642342&set=a.160990733975676.40139.100001942525687&type=1&theater

Dieses Bild soll aus einem Kirchenfenster entfernt worden sein, Warum nur?

Bestimmte Themen sind doch längst wieder raus aus der Presse, da kann man doch einfach weitermachen .....

Bearbeitet von madrian
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