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Auswandern nach Valencia - Früher und heute (Gruesse an Rainer und alle anderen)


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Hallo zusammen,

die Fallas in Valencia sind vorbei, das geregelte Leben hat wieder begonnen und somit komme ich nun endlich mal dazu, wie ich schon ankuendigte, darueber zu berichten, wie es mich hierherverschlagen hat.

Also es war der Liebe wegen! Meinen spanischen Mann habe ich vor 36 Jahren in meiner Heimatstadt kennengelernt, er arbeitet dort bei einer deutschen Firma (eigentlich normal in Deutschland, aber es haette ja auch eine Internationale sein koennen). Nach 10 Jahren im Ausland hatte diese Firma ihm einen Job wieder in seinem Land, ja sogar in seiner Heimatstadt angeboten, er war sofort beigeistert, dazu kam, dass genau zum selben Monat meine Firma ihre Pforten geschlossen hatte, somit war die Sache

einfach klar.

Also auf nach Spanien. Wer heute hier ankommt, um hier ein neues Leben anzufangen kann sich nicht vorstellen, wie es vor 31 Jahren hier war.

Die Diktatur war gerade zu Ende, die Leute machten gerade IHREN Neuanfang.

Fuer mich war die erste Zeit sehr, sehr hart, zumal ich kein Spanisch konnte und nachdem ich mit viel Muehe etwas gelernt hatte und ich nun endlich mal loslegen wollte, viele Leute mit mir Valenciano redeten und mir den naechsten Schlag versetzten. Unter Franco war Valenciano nicht gerne gesehen, in den Schulen, im Gegensatz zu heute, wurde nur Unterricht in Castellano gegeben und die Leute wollten natuerlich wieder ihre Kultur und somit ihre Sprache richtig auferstehen lassen. Viele Dinge, die ich sah, waren fuer mich so fremd und von unserer deutschen Erziehung einfach nicht nachvollziehbar. Wir gingen

z.B. in eine Bar, standen am Tresen und saemtliche Essensreste wurden aud den Boden geworfen, hinterher kam der Kellner mit Saegemehl schuettet alles zu und fegte dann alles weg. Genauso im Bus: beim Sonnenblumenkerneessen wurden die Schalen einfach auf den Boden gespuckt. Papierkoerbe gab es so gut wie nirgendwo. Alles sehr gewoehnungsbeduerftig. Das Schlimmste aber war die Spuckerei auf den Strassen. Heute hat sich das alles sehr geaendert. So hatte ich eine harte Zeit vor mir, aber wie ihr seht: hier bin ich nun schon so lange und man kann sich in dieser schoenen Stadt sehr wohl fuehlen. Ich lebe 10 km ausserhalb von Valencia auf dem Lande und wenn ich mal wieder Grosstadt brauche bin ich in 15 Minuten mit der Metro dort. Eine einzige Angst ist immernoch geblieben: H A N D W E R K E R, ich meine, ich koennte einen Bestseller schreiben, was uns alles passiert ist kann man kaum glauben, richtig filmreif. Aber in diesen ganzen Jahrzehnten hat sich nun doch alles sehr zum Vorteil veraendert, das ist zumindest meine Meinung, wenn man z.B.nur mal an die Umwelt denkt.

Als meine Mutter das erste Mal zu Besuch kam und hunderte von wilden Muellhalden auf dem Weg vom Flughafen zu mir nach Hause sah, war sie so geschockt, dass sie mich am liebsten gleich wieder mitgenommen haette. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, auch wen hier und da doch noch was rumliegt.

Meine beiden Kinder sind hier geboren, in eine valencianische Schule gegangen und ich verstehe inzwischen das Valenciano auch sehr gut, obwohl ich es nicht sprechen kann.

Also alle, die hier gerne einmal Urlaub machen wollen, denen kann ich nur raten: schaut euch Valencia und Umgebung an, es lohnt sich.

Bis dann. Irene

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Hola Irene,

nun musste ich erst mal suchen, wo Dein Bericht geblieben ist,

aber siehe da, nun habe ich Deinen persönlichen Bericht hier im Auswander Eck gefunden.

Da hast Du ja schon viel erlebt, mit der Zeit nach Franco...das ist sicher noch mal ganz was anderes, als heute.

Auch wir waren zu den Fallas in Valencia unterwegs und auch unser Wohnort hier in der Nähe von Valencia, also gleich bei Dir ums Eck, hat 9 Fallas und natürlich waren wir auch zum Tren Falleros und zur Cabalgata, sowie zur Verbrennung der Figuren.

Aber sag mal, jetzt wo uns das normale Leben wieder hat... könnte man sich doch mal auf einen Kaffee treffen...wie wäre das :winken:

Saludo aus dem Nachbar-Ort... ist doch toll wer sich hier alles so treffen kann.

Saludo hasta pronto ...!

Barbara

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  • 2 Wochen später...

Entschuldigung, Chipy, jetzt habe ich Deinen Beitrag gefunden.

Wie wahr, wie wahr. Ich bin zwar erst vor 22 Jahren nach Spanien gezogen, doch erkenne ich in Deinen Erzählungen meine Anfangszeiten wieder.

Am meisten geschockt hatte mich damals der Besuch in einer Champagneria. Es war ein wunderschönes Lokal, sehr teuer und liebevoll eingerichtet - mit einem tauben blauen Teppichboden.

Soll ich weiter erzählen...? Dieser Traum von einem Spannteppich war nicht nur fleckig sondern übersät mit Brandlöchern. Es tat mir in der Seele leid. In unserem Stammlokal stellte man uns dann nach einige Zeit immer einen Aschenbecher auf den Tresen. Doch als dann zwischendurch mal durchgefegt wurde, landete dessen Inhalt mit einem Grinsen des Wirtes auf dem Boden und wurde mit den anderen Abfällen weggefegt.

Spanien ist nicht zu beschreiben - man muss es erleben. Das gilt auch heute noch, wenn auch nicht mehr so extrem.:D

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Hallo chipy,

interessant finde ich an Deinem Bericht, wie unterschiedlich man etwas erleben kann.

Mich hat nie die typische spanische Art etwas auf den Boden zu werfen gestört. Vielleicht war ich da auch noch zu jung dazu, dass es mir wichtig genug war.

Ich fand alles wunderbar in den 60er und 70ern. Erst als ich mich an einem Ort niederliess und feststellen musste wie konservativ meine Nachbarn waren, fing ich an irritiert zu sein. ich komme aus einem liberalen Elternhaus und Menschen waren alle gleich viel wert für uns.

Die hauchdünne Mittelschicht in Spanien war sehr klassenbewusst und separierte sich sehr von ihren benachteiligten Mitmenschen.

Damals waren Deutsche noch sehr gerne gesehen, wurden auch eingeladen, weil sie brachten ja Prestige mit.

Als durch den Tourismus und die zugewanderten nordeuropäischen Residenten viel Geld ins Land kam brauchte man die Ausländer als Prestigeträger nicht mehr. Ja es gab einige, denen wäre es am liebsten gewesen, wäre man sie alle wieder losgeworden.

Nur das ging natürlich nicht, solange die Wirtschaft so abhängig von den Fremden blieb.

Eine Industrie unter nachhaltigen, sozialen Aspekten sucht man vergeblich hier. Arbeitsplätze mit Festanstellung und konkurrenzfähigen Produkten sind selten. Den grossen Reibach machen, möglichst an der Steuer vorbei war die Maxime. Leider. Das rächst sich heute sehr.

Das viele, europäische Geld das ins Land kam wurde zu häufig nicht ihren Bestimmungen zugeführt, zum Beispiel Abwasserkanäle oder Kläranlagen zu bauen. Lieber hat man dafür eine chice Uferpromendade gebaut oder gleich die Villa des Bürgermeisters.

Eine meiner Campensino Nachbarinnen sagte einmal zu mir. Es würde Dir auch nicht gefallen, wenn Du sehen würdest, wie um dich herum alles von Ausländern aufgekauft werden würde.

Nein sagte ich, das würde es vermutlich auch nicht. Dann fragte ich sie wovon die Familie denn lebte. Peon in der construction, war die Antwort.

Wieiviele der Constructionen werden von Spaniern gemacht?

Sie überlegte nur kurz, keine war die Antwort.

Wer verkauft denn die fincas an Ausländer, fragte ich wieder?

Spanier, antwortete sie mir.

Wie würden denn die fincas heute ausehen, wenn die Extranjeros sie nicht gekauft und reformiert hätten. Sie wären verfallen antwortete sie mir erneut.

Nun ist es nicht etwa so, dass die Fincas und das Land für einen Apfel und ein Ei den Besitzer gewechselt haben. Es wurde richtig viel Geld bezahlt dafür. Soviel, dass man immer gieriger wurde, bis dieses Geschäft vollkommen zum Erliegen kam, weil die Preise ins Absurde stiegen.

Es entstand ein relativer Wohlstand unter den Bauern, die in begehrten Gegenden Land zu verkaufen hatten. Ich fürchte nur viel ist von dem Geld nicht mehr übrig heute.

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Hallo Raven - Dein Beitrag hat mir sehr gefallen.

Zwar erlebte ich diese Entwicklung erst ab dem Jahre 1989 doch auch damals wurde von vielen Spaniern, die eine halb verfallene Casita im Campo hatten gern die (noch) Deutsche Mark eingestrichen. Je mehr Verkäufe, desto gieriger wurden die Spanier.

Und Du bist endlich einmal jemand der hervorhebt, dass es die Ausländer waren, die diese zum Teil sehr baufälligen, aber wunderschönen Landhäuser vor dem totalen Zusammenbruch retteten. Die Spanien taten meiner Meinung nach wenig für ihr eigenes Land. Früher waren es die Mauren, die die heutigen Sehenswürdigkeiten aufbauten, später waren es wieder ausländische Investoren, die fast Verfallenes erhielten.

Eines gibt es für die Spanien nicht: einen Grund die Ausländer zu verteufeln. Hätten damals die Mauren nicht ihren "Fingerabdruck" hinterlassen und würden heute nicht ausländische Investoren und die EU den Land kräftig unter die Arme greifen - es sähe noch schlimmer aus, als es im Moment ist.

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Hallo Raven - Dein Beitrag hat mir sehr gefallen.

Zwar erlebte ich diese Entwicklung erst ab dem Jahre 1989 doch auch damals wurde von vielen Spaniern, die eine halb verfallene Casita im Campo hatten gern die (noch) Deutsche Mark eingestrichen. Je mehr Verkäufe, desto gieriger wurden die Spanier.

Und Du bist endlich einmal jemand der hervorhebt, dass es die Ausländer waren, die diese zum Teil sehr baufälligen, aber wunderschönen Landhäuser vor dem totalen Zusammenbruch retteten. Die Spanien taten meiner Meinung nach wenig für ihr eigenes Land. Früher waren es die Mauren, die die heutigen Sehenswürdigkeiten aufbauten, später waren es wieder ausländische Investoren, die fast Verfallenes erhielten.

Eines gibt es für die Spanien nicht: einen Grund die Ausländer zu verteufeln. Hätten damals die Mauren nicht ihren "Fingerabdruck" hinterlassen und würden heute nicht ausländische Investoren und die EU den Land kräftig unter die Arme greifen - es sähe noch schlimmer aus, als es im Moment ist.

Naja, sie hatten zu dieser Zeit auch kein Geld, womit sie es hätten erhalten können. Die Francozeit hat das Land arg benachteiligt.

Aber die fehlende Einsicht, alle an einem Strang zu ziehen und sich ein Spanien für alle Menschen aufzubauen, rächt ich heute.

Natürlich keine ich auch viele Spanier die das genau so bedauern wie ich.

Intellektuelle Menschen, die nicht reich sind und deshalb hier nichts gelten.

Ich hab wunderbare spanische Freunde, doch ich darf sie Freunde nennen, die Deutschland als ihr grosses Vorbild ansehen. Ich muss dann immer insistieren und ihnen sagen, dass bei uns auch nicht alles Gold ist was glänzt.

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Hallo Raven,

so unterschiedlich sind unsere Ansichten garnicht, bis auf die, dass mich der Muell und den Dreck auf den Boden werfen stoerte, aber das ist schon so lange her, stimme ich mit dir im Wesentlichen ueberein. Wie du so schoen schreibst: In Deutschland ist auch nicht alles Gold was glaenzt, ich denke aber, dass die Leute dort kritischer mit allem umgehen und die Sachen mehr hinterdenken.

Ich verfolge seit Monaten den Korrruptionsskandal um unseren l i e b e n Herrn Camps und kann es nicht kapieren, dass der immernoch am regieren ist. Man vergleiche einmal die Sache Dr.Guttenberg, was eigentlich gar kein Vergleich ist, denn was Camps & Co. sich die letzten Jahre so alles geleistet haben geht auf keine Kuhhaut, wie man bei uns in Baden sagt.

Fuer mich voellig unverstaendlich, dass hier unsere Rita mit ihrer PP jede Wahlperiode wieder gewaehlt wird. Unser Canal 9 ist da natuerlich eine gute Moeglichkeit, die Leute zu manipulieren, es werden natuerlich immer nur die Sachen gezeigt, die das Possive hier hervorheben. Nichts von der Demonstration letzten Samstag gegen Camps, nichts ueber die unnuetzigen Riesensummen Geldverschwendung ueberall ( neues Fussballstadion, Tennishalle, Formel 1 usw.usw), ich habe das Gefuehl, dass viele Leute einfach ihrem Leithammel nachlaufen ohne nach rechts und links zu schauen. Die Familie meines Mannes ist auch dieser Meinung.

Und du hast voellig recht, dass Prestige hier sehr, sehr wichtig ist, nach dem Motto "haste nichts biste nichts". Aber ich nehme an, dass in Deutschland dieser Satz auch gilt.

Nichtsdestotrotz kann ich einen Besuch hier in Valencia nur empfehlen, ich gehe immerwieder gerne durch die Altstadt, das Flussbett oder am Strand entlang.

Wo wohnst du denn genau?

LG.Irene

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In der Nähe von Marbella zur Zeit. Da haben wir ein Haus.

Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten, nirgends und überall.

Fühle mich als Europäer und denke nicht daran mich in die engstirnige, konservative, spanische Gesellschaft zu integrieren.

Trotzdem hat Spanien einen grossen Platz in meinem Herzen.

Ich liebe spanische Musik, die männliche Spache, die Geschichte Spaniens, die eigentlich mehr die der Mauren ist.

Ich wünsche mir, dass Spanien endlich erwachsen wird und sich politisch stabilisiert. Die Menschen mehr ihr Schicksal in die Hand nehmen.

Vermutlich werden es die Frauen sein, die den Durchbruch schaffen.

So wie heutzutge in vielen Ländern der Welt.

Wir Männer sind zu blockiert dazu und zu eingebildet. :rolleyes:

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